Neue Regelungen zum EU-Versandhandel seit 1. Juli 2021

Mit der Mehrwertsteuerreform der EU soll der Onlinehandel innerhalb der europäischen Union erleichtert und damit auch die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs von Unternehmern innerhalb der EU einfacher geregelt werden. Bis 2022 sollen alle grenzüberschreitenden Lieferungen im Bestimmungsland besteuert werden. Vor allem der Umsatzsteuerbetrug, der pro Jahr bei circa 50 Milliarden Euro liegt, soll so eingedämmt und erschwert werden.

Bereits 2017 hatten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf die EU-Mehrwertsteuerreform und ihre Implementierung in das jeweilige nationale Recht verständigt. Zum 1. Juli 2021 sind nun die überarbeiteten Regelungen zum Versandhandel – mit coronabedingter Verspätung – in Deutschland in Kraft getreten.

Begriffsumwandlung und einheitliche Lieferschwelle

Im Rahmen der EU-Mehrwertsteuerreform ist eine Umwandlung des Begriffs „Versandhandel“ in „Fernverkauf“ vorgenommen worden. Man spricht also bei Lieferungen an Privatkunden in eine anderen EU-Mitgliedsstaat nicht mehr von der Versandhandelsregelung, sondern vom „Fernverkauf“. Voraussetzung für den Fernverkauf ist nach wie vor, dass der Transport der Ware durch den oder die Online-HändlerIn veranlasst wird und die Empfängerinnen und Empfänger im Wesentlichen Privatpersonen sind. Mit den Neuregelungen soll das sogenannte Bestimmungslandprinzip auch im Bereich von Dienstleistungen und Lieferungen an Privatpersonen weitgehend umgesetzt werden: Es soll eine Umsatzbesteuerung in dem EU-Mitgliedstaat stattfinden, in dem der Kunde ansässig ist, also ein Verbrauch stattfindet. Bislang wurde die Besteuerung nur dann in den EU-Mitgliedstaat des Kunden verlagert, wenn der Liefernde die Lieferschwelle für den betreffenden EU-Mitgliedstaat überschritten hatte. Die bisherigen länderspezifischen Lieferschwellen wurden nun gestrichen. Es gibt nur noch eine einzige, sämtliche EU-Mitgliedsstaaten umfassende Lieferschwelle, die 10.000 Euro beträgt. Dieser neue Schwellenwert gilt für alle Umsätze aus innergemeinschaftlichen Fernverkäufen und elektronischen Dienstleistungen an Nichtunternehmer in anderen EU-Mitgliedstaaten. Bisher galt die einheitliche Schwelle nur für elektronisch erbrachte Dienstleistungen an Nichtunternehmer.

Vereinfachung durch One-Stop-Shop

Wenn beim innergemeinschaftlichen Versandhandel die maßgebende Lieferschwelle in der Vergangenheit überschritten wurde, mussten sich liefernde deutsche Unternehmen im jeweiligen Bestimmungsland registrieren und besteuern lassen. Mit der EU-Mehrwertsteuerreform wird das bereits bestehende, sogenannte „Mini-One-Stop-Shop-Verfahren“, das etwa für elektronisch erbrachte Leistungen galt, auf den innergemeinschaftlichen Fernverkauf ausgeweitet. Die Umsatzsteuerzahlung erfolgt nun im erweiterten „One-Stop-Shop-Verfahren“ (OSS) über die neue und einzige Anlaufstelle beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Eine Registrierung im jeweiligen Bestimmungsland entfällt damit. Das BZSt leitet die Umsatzsteuerzahlungen an die einzelnen Steuerbehörden der jeweiligen EU-Länder weiter. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der oder die UnternehmerIn in nicht mehr als einem EU-Mitgliedsstaat umsatzsteuerlich registriert ist.

Erleichterungen auch für Unternehmen aus Drittländern mit einem Warenlager in Deutschland

Die Erleichterungen durch die Fernverkaufsregelungen erstrecken sich auch auf Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten, die in Deutschland ein Warenlager haben und von diesem aus Privatkunden in einem anderen EU-Mitgliedsstaat beliefern.

Wenn dabei die Lieferschwelle überschritten wird, kann das Unternehmen aus dem Drittland nun die ausländische Umsatzsteuer auch an das Bundeszentralamt für Steuern abführen.

Vorteile der Neuregelungen

Die vereinheitlichte Lieferschwelle und die Zahlung der Steuer über eine einzige Anlaufstelle beim Bundeszentralamt bringt für die betroffenen Unternehmen etliche Erleichterungen:

  • Eine permanente Überwachung der einzelnen Lieferschwellen in den betreffenden EU-Mitgliedstaaten entfällt.
  • Statt der monatlichen Anmeldung und Zahlung der Umsatzsteuer an ausländische Finanzbehörden genügt nun die quartalsweise Meldung und Zahlung der ausländischen Umsatzsteuer ans Bundeszentralamt für Steuern.
  • Unternehmen müssen sich nicht mehr in den verschiedenen Wohnsitzländern ihrer Privatkunden umsatzsteuerlich registrieren lassen.
  • Sie sparen Kosten für die Beauftragung ausländischer Steuerberater, die bisher die Erklärungen für die ausländischen Finanzbehörden erstellten.

Nicht alle profitieren von den Veränderungen

Von der Erweiterung des OSS werden insbesondere die Unternehmen profitieren, die Fernverkäufe aus einem Zentrallager im eigenen Land erbringen. EU-Händler, die grenzüberschreitende Lagerhaltung nutzen, können dagegen keine Erleichterungen bei ihren umsatzsteuerlichen Pflichten im Ausland in Anspruch nehmen. Eine Registrierung und Deklaration in den Ländern mit Warenlager kann weiterhin nicht vermieden werden. Zudem werden wegen der einheitlichen Umsatzschwelle künftig wohl weitaus mehr Unternehmen von der Regelung betroffen sein. Sie müssen sich nun damit auseinandersetzen und unter anderem einen Antrag über das Online-Portal des Bundeszentralamts für Steuern stellen – seit April 2021 möglich unter: www.bzst.de Außerdem sollten die Verfahrensabläufe und das umsatzsteuerliche Rechnungswesen angepasst werden.

Es bleibt zu beachten, dass nicht alle getätigten Umsätze über das OSS-Verfahren gemeldet werden können. Die bestehenden Deklarationspflichten im Rahmen von Voranmeldungen gelten unverändert.

Sie sind im Onlinehandel tätig? Wir stehen Ihnen gern mit Rat und Tat zur Seite – natürlich auch bei individuellen Fragen zu den Neuregelungen der EU-Mehrwertsteuerreform.

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